Dieses Klavier wurde vor 1892 in Bayreuth von Ed. Steingraeber gebaut. Es fällt sofort aufgrund seiner außergewöhnlichen Größe von circa 150 cm auf. Ein hoher Klangkörper bewirkt lange Saiten. Diese beiden Faktoren sind gemeinsam mit dem guten Filz die Garanten für einen guten Klang. So beschreibe ich das im Allgemeinen. Aber gibt es hier möglicherweise auch Grenzen?
Das dieses Klavier ohne Seriennummer vor 1892 gebaut sein muss, ist daran zu erkennen, dass als Klavierhersteller Ed. Steingraeber auf der Gussplatte steht. Laut dem Atlas der Pianonummern wurde daraus nach 1892 die Bezeichnung Steingraeber & Soehne.
Das Klavier aus unserem Hörbeispiel ist innen ein Kreuzsaiter. Die Mechanik hat noch die Oberdämpfung. Und das linke Pianopedal ist noch als Una-Corda-Pedal angelegt. Die Gussplatte ist eine im Bereich des Stimmstocks geschlossenen Platte.
Zur Gussplatte muss ich kurz etwas ausführen: Oftmals höre ich von Kunden, ein Fachmann hätte gesagt, das Klavier hätte noch keinen Gussrahmen, wäre also eine reine Holzkonstruktion. Das ist aber meistens falsch. Aufgrund der hohen Zugkräfte der Vielzahl an Saiten im Klavier könnte ein Holzkonstruktion unmöglich die Spannungen halten. Die Gussplatte oder früher der Eisenschuh als Träger der Saitenspannung enden lediglich unterhalb des Stimmstocks, in dem die Stimmnägel stecken. In beiden Fällen stecken die Stimmnägel in dem hölzernen Stimmstock. Das ist auch heute noch der Fall.
Als weitere Besonderheiten hat das Steingraeber-Pianoforte im Übergang von der Mittellage zur Optimierung der so genannten Mensur einen geteilten Druckstab. Die weiß markierten Stimmnägel sind ein Hinweis. dass sie nicht mehr fest sitzen. Die Stimmnägel selbst haben in der Gussplate keine Dübel zur Führung, sondern sind freistehend, wie das bei Steinway & Sons Standard ist.
Passend zu dem geteilten Druckstab oben finden wir unten einen eigenen Stegabschnitt. Der Klavierkonstrukteur Eduard Steingraeber hat offensichtlich keine halben Sachen gemacht! Außerdem sehen wir auf diesem Bild, dass sich der Bayreuther Klavierbauer zusätzlich zu den bereits langen Saiten im Bass noch um die Optimierung des Klangs und der Stimmbarkeit mittels einer Bassbrücke bemüht hat. Alte Klaviere zeichnen sich mit schöner Regelmäßigkeit durch all diese konstruktiven Maßnahmen zur qualitativen Optimierung des Produkts aus.
Im Bass sieht man die Rarität, dass die zweichörigen Saiten fast bis ganz unten reichen. Nur die ersten 3 Töne sind einchörig, haben also nur eine Saite, die angeschlagen wird. Das mir bislang einzige Modell mit durchgängig 2 Saiten im Bass stammte auch aus der Bayreuther Klaviermanufaktur und ist zeitlich ebenso auf den Zeitraum vor 1900 zu datieren.
Zum Schluss ein Blick auf die Pedale. Sie haben einen Schutz, damit man nicht das Möbel zerkratzt. Außerdem sind beide Pedale gleich wenig abgenutzt. Das zeigt, dass das Klavier möglicherweise noch nie intensiv genutzt - oder aber weitgehend ohne Pedale gespielt worden ist.